Unterwegs im serbischen Klösterreich

Foto: Henning Klingen
Foto: Henning Klingen

Serbien ist nicht nur wichtigster österreichischer Handelspartner am Balkan und hoffnungsvoller EU-Beitrittskandidat, sondern auch Hort einer tief verwurzelten orthodoxen Religiosität. Unter gesellschaftlichen Modernisierungsdruck blühen zugleich Religion und Tradition als Orte der Wertbeständigkeit, Klöster und theologische Fakultäten freuen sich über zahlreichen Nachwuchs - Eine Reise durch die Vojvodina, das serbische „Klösterreich“.

 

Mühsam quält sich der Kleinbus die schmale Straße durch den Wald hinauf. Immer wieder gibt das dichte Grün den Blick auf üppige Weinhänge und sanft im Morgendunst schlummernde grüne Bergkuppen frei. Am Ende der Straße taucht eine barock anmutende Klosteranlage auf. Der Parkplatz davor ist gut gefüllt, von überall her strömen die Menschen und folgen dem intensiven sonntäglichen Glockengeläut. Fast könnte man meinen, man befände sich vor einem der majestätischen Stifte in Nieder- oder Oberösterreich. Wäre da nicht Abt Stephan, der uns freundlich und in gebrochenem Deutsch zum orthodoxen Gottesdienst, der Göttlichen Liturgie, in seinem Kloster Velika Remeta begrüßt.

 

Willkommen in der Provinz Vojvodina, dem nördlichen Teil Serbiens. Genauer, auf der Fruska Gora, einem Mittelgebirgszug nahe der Großstadt Novi Sad. Achtzehn Klöster gibt es hier, angeschmiegt an sattgrüne Hügel oder eingepasst in üppig bewaldete Täler, wo sie bereits die Osmanen, später die Nationalsozialisten und den Sozialismus leidlich überstanden haben. Rosen und Lavendelduft liegt in der Luft.

 

Im Inneren der wuchtigen Klostermauern wartet eine grüne Oase mit einem kleinen Brunnen und einer mit prächtigen Fresken ausgemalten Kirche auf die Besucher. Abt Stephan bringt die Besucher aus dem fernen Österreich in die Kirche – begleitet von unzähligen Pilgern und Besuchern aus der Umgebung, aber auch aus dem fernen Belgrad. Velika Remeta ist ein Magnet – berühmt für seinen charismatischen Abt und die Agape mit den Mönchen im alten Refektorium.

 

Weihrauch liegt in der Luft, als die festlichen Gesänge im traditionellen Kirchenslawisch anheben. Dem an die lateinische Liturgie gewöhnten Auge fällt es schwer, dem feierlichen byzantinischen Ritus mit seiner überwältigenden Symbolfülle zu folgen. Streng ist die Ordnung unter den Besuchern, als es zur Kommunion geht. Frauen bedecken ihr Haar mit Kopftüchern, junge Mädchen senken demutsvoll den Blick, als sie in gebückter Haltung die Kommunion aus dem Löffel empfangen. Kinderreichen Familien wird demonstrativ

der Vortritt gelassen.

 

Neuanfang auf den Ruinen

 

Seit Jahrhunderten pflegen die Mönche in der Region den Kern des orthodoxen Christentums: die Tradition. Und sie finden damit Anhänger. Immer jüngere Mönche gründen eigene Klöster, wenden sich von der seit dem Ende des Sozialismus rapide beschleunigten Modernisierung ab.

 

So etwa das Kloster Staro Hopovo. Am Ende eines schmalen Tals stößt man auf eine kleine Siedlung, bestehend aus einer winzigen, neu aufgebauten Kirche und einem kleinen Wirtschafts- und Wohngebäude. Sechs junge, kaum dreißig Jahre alte Mönche spüren hier dem Zauber des Anfangs nach: Stück für Stück bauen sie auf den Ruinen des alten, 1546 gebauten und unter den Osmanen zerstörten Klosters ein neues auf. Bereits zu Studienzeiten haben sich die Mönche zusammengeschlossen, mit dem Ziel, der Welt zu entsagen, die in ihren Augen im moralischen Niedergang begriffen ist. Sie wollen die alte Strenge in Form einer ununterbrochenen Liturgie pflegen. Orthodoxie ist bewahrender Glaube mit einer Neigung auch zu moralisch konservativen Ansichten.

 

Aber so einfach darf man es sich nicht machen. Zweifellos steht die Orthodoxie insgesamt vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, sich von politischer Vereinnahmung frei zu machen und moderne Lebensformen und Pluralität zu akzeptieren. Das gilt auch für die serbische Orthodoxie. Dass jedoch religiöse Traditionspflege nicht notwendigerweise mit konservativer Theologie einhergehen muss, zeigt ein Besuch im Kloster Kovilj nahe Novi Sad.

 

Gefragtes soziales Engagement

 

In warmen Rot- und Gelbtönen leuchten seine Mauern, mächtig ragt der Kirchturm in den schimmernden Abendhimmel; ein Storch erhebt sich von der Spitze und gleitet gemächlich über das satte Grün der umliegenden Felder. Seit zwanzig Jahren erweitern und sanieren 25 Mönche die beeindruckende Klosteranlage, deren jüngstes Prunkstück – die frisch mit leuchtenden Ikonen ausgemalte Kapelle – sie den Besuchern stolz präsentieren. Alle Mönche haben studiert, viele haben westeuropäische Länder bereist. Erst vor Kurzem wurden dem Kloster im Rahmen eines Restitutionsgesetzes zuvor unter Tito enteignete Ländereien und Einrichtungen zurückerstattet.

 

Landesweite Bekanntheit genießt das Kloster wegen seines starken sozialen Engagements. So betreut das Stift in fünf Außenstellen insgesamt rund hundert drogenkranke Jugendliche. Als Therapeutikum habe sich vor allem eine intensive spirituelle Begleitung bewährt, berichtet Abt Porfirije. Mittlerweile stehen Gespräche mit dem Gesundheitsministerium vor dem Abschluss, um das klösterliche Angebot in das offizielle staatliche Drogenprogramm aufzunehmen. Ein ungewöhnlicher Schritt – insbesondere aus Sicht des Klosters, denn dem sozialen Engagement über unmittelbare Nothilfe und Armenspeisung hinaus kam in der Orthodoxie in der Regel keine größere Bedeutung zu.

 

Enge Beziehungen zu Österreich

 

Kovilj gilt als Reformkloster. Zuständig für das Kloster ist der orthodoxe Bischof von Novi Sad, Irinej (Bulovic). In fließendem Deutsch empfängt er die Besuchergruppe aus Österreich. Rasch kommt der Bischof zur Sache. Er betont das gute ökumenische Klima und den interreligiösen Dialog, den er in seiner Diözese pflege. Neben der orthodoxen Mehrheit leben auch evangelische Christen, Juden und Muslime in der Stadt. Die Katholiken bilden mit 30.000 Gläubigen sogar eine recht starke Minderheit. Gegenseitige Besuche und gemeinsame Aktionen seien selbstverständlich.

 

Der Bischof gilt als Reformer, ist ein international geschätzter Theologe. Und seit Neuestem ist er auch zuständig für die im Vorjahr gegründete serbisch-orthodoxe Diözese in Österreich. Mit rund 260.000 Gläubigen bildet sie die stärkste Gruppe unter den orthodoxen Gläubigen in Österreich.

 

Überhaupt Österreich und Serbien: Beide Länder sind eng miteinander verbunden, ist Österreich doch wichtigster Handelspartner für das an der Schwelle zur Europäischen Union stehende Land am Balkan. Aber auch historisch gibt es enge Bande, wie ein Besuch in Sremski Karlovici (Karlowitz) zeigt. Die idyllische Kleinstadt in der Vojvodina trägt den Ballast einer reichen Geschichte mit sich: So wurde sie zum Schauplatz des für ganz Europa wichtigen Friedensschlusses zwischen dem Osmanischen Reich, Österreich-Ungarn, Polen, Russland und der Republik Venedig.

 

Noch heute erinnert eine von der kleinen katholischen Gemeinde vor Ort gepflegte „Friedenskapelle“ an dieses Großereignis, das mit Vertragsunterzeichnung am 26. Januar 1699 den Krieg beendete, der zuvor jahrzehntelang Europa in Atem gehalten hatte. Der „Friede von Karlowitz“ – als neutraler Ort zwischen dem habsburgischen Peterwardein und dem osmanischen Belgrad gewählt – sollte schließlich den Beginn vom Ende des Osmanischen Reiches einleiten und zugleich den Aufstieg der Habsburgermonarchie zur Weltmacht.

 

Es ist Nachmittag geworden im Kloster Velika Remeta. Im bis auf den letzten Platz mit Pilgern und Besuchern gefüllten Refektorium des Klosters biegen sich die Tische unter Weinflaschen, Kaffee und Gebäck. Abt Stephan greift zum Mikrofon und schreitet – einem Entertainer gleich – in wiegendem Schritt durch die Reihen. Er greift noch einmal die Predigt des Gottesdienstes auf und beantwortet offen Fragen der Gemeinde.

 

Die Menschen suchen Halt und Orientierung, erklärt Abt Stephan. Ob seine Antworten auf Fragen des Zusammenlebens und der Moral auch tatsächlich im Leben da draußen tragen, wird die kommende Woche zeigen.

 

 

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Im serbischen Klösterreich
Reportage einer Reise durch den Norden Serbiens, die klösterreiche Vojvodina.
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