Vom alten Schlag

Foto: flickr.com / Paval Hadzinski / CC BY-NC-ND 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)
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In seinem neuen Buch "Gott oder nichts" zeigt Kurienkardinal Robert Sarah deutlich Kante insbesondere gegen die deutsche Kirche: Einer "Rebellion gegen die Lehre Jesu und das Lehramt" werde er sich "entschlossen widersetzen". Sarah mutet dem durchschnittlichen europäischen katholischen Leser einiges zu - auch theologisch. Der hermeneutische Schlüssel, der vieles erklärt, aber zugleich wohl nichts entschuldigt, liegt in seiner eigenen Biografie.

 

Sie wird die Schicksalsschlacht von Papst Franziskus. Zumindest, wenn man dem medialen Wortgeklingel der Kommentatoren glaubt: Die Familiensynode, bei der im Oktober rund 250 Bischöfe aus aller Welt die kirchliche Lehre zur Familie neu austarieren wollen. Im Fokus des öffentlichen Interesses stand zuletzt die Frage, ob es wiederverheiratet Geschiedenen künftig erlaubt sein wird, zur Kommunion zu gehen. So sehr einige Protagonisten der deutschen Kirche auf eine solche Zulassung drängen, so kräftig schallte bereits bei der ersten Synode im vergangenen Jahr von Seiten der afrikanischen Länder ein lautes "Nein" zurück.

Rechtzeitig vor Synodenbeginn hat nun mit Robert Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, ein hoher, bislang eher im Hintergrund agierender Kurienkardinal seine Stimme erhoben, die aufgrund seiner Herkunft aus Guinea auch als Stimme Afrikas in der Weltkirche gilt. In seinem nun auch auf Deutsch erschienenen Buch "Gott oder nichts" scheut der sonst so sanfte Sarah nicht vor scharfen Worten zurück: Wiederverheiratete bleiben "in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht".

Ein Kommunionempfang ist für sie daher unmöglich - und im Drängen etwa auch der Mehrzahl der deutschen Bischöfe auf eine Neuformatierung der Sakramentenpraxis erkennt Sarah die "Obsession gewisser abendländischer Kirchen, die sogenannte 'theologisch verantwortbare und pastoral angemessene' Lösungen durchsetzen wollen" - diese aber, daran lässt er keinen Zweifel, würden "der Lehre Jesu und dem kirchlichen Lehramt radikal widersprechen". Einer solchen, in Person von Kardinal Marx ausgemachten "Rebellion gegen die Lehre Jesu und das Lehramt" werde er sich - und mit ihm die gesamte afrikanische Kirche, "entschlossen widersetzen".

Der Widerspruch wurzelt in Sarahs Überzeugung, dass die Aufhebung des Verbots der Kommunion für Wiederverheiratete "klar die Lossagung von der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe bedeuten" würde. Die Lehre der Kirche - sie ist ihm sakrosankt und keine Frage von bischöflichen Mehrheitsverhältnissen: "Wie lässt sich verstehen, dass katholische Hirten die Doktrin, das Gesetz Gottes und die Lehre der Kirche über die Homosexualität, die Ehescheidung und die Wiederheirat der Abstimmung unterwerfen, als ob das Wort Gottes und das Lehramt jetzt durch ein Mehrheitsvotum sanktioniert und gebilligt werden müssten?"

Tatsächlich präsentiert sich Sarah in dem Gesprächsband auch darüber hinaus als ein Kirchenmann vom alten Schlag - und zwar im besten Sinne: Er liebt die lateinische Messe, er schätzt geistliche Zucht und geregelte spirituelle Verhältnisse, und er ist ein großer Vorwärtsverteidiger der kirchlichen Tradition gegen alle Anfechtungen des "libertären Denkens". Die säkulare Gesellschaft ist ihm ein Graus, bestimmt von moralischem Verfall, Narzismus und trügerischen Ideologien. Bei Sarah liest sich das so: "Der Mensch wird nicht geboren, um sein Bankkonto in Ordnung zu bringen; er wird geboren, um seinen Nächsten zu lieben und zu Gott zu gelangen." Solche Sätze, wie in Stein gemeißelt, bietet Sarahs Apologie des Katholizismus zu Hauf. Und sie polieren das Christentum nicht selten derart auf, dass sein Glanz nicht nur blendet, sondern in den Augen schmerzt.

Gläubige "in Sackgassen"

Ob Konzilsdeutung, Liturgieentwicklung, "Genderideologie", Lebensschutz oder die europäische "Gottesfinsternis": Sarah zeigt offensiv Kante und Profil. Das Konzil etwa wollte Vertiefung schaffen und neue Sicherheit in einer von Verunsicherungen bestimmten Welt bieten. Tatsächlich habe eine "progressive Hermeneutik" obsiegt und die Gläubigen "in Sackgassen" geführt. Der Zeitgeist habe Einzug gehalten in die Kirche, und die Glaubenszeugnisse von Ordensleuten und Priestern geschwächt. Die Logik des Niedergangs ist die bestimmte Perspektive der Weltsicht Sarahs. So sieht er etwa in der "Genderideologie" eines ideologischen Hauptübel der Gegenwart, insofern er darin Fragmente eines missgestalteten Marxismus entdeckt - jenes Marxismus, dessen hässliche Fratze er selbst in Form des marxistischen Diktators Sekou Toure in Guinea erleben musste.

Unter einem falschen Gleichheitsverständnis - einem "ideologischen Egalitarismus" - leide nicht nur die traditionelle Familie, sondern letztlich auch die Frauen selbst, so Sarah. "Dem Plan Gottes folgend, ist die Frau Mutter und der Mann ist Vater". Punkt. Gleichheit sei dagegen "keine Schöpfung Gottes". Die "Genderideologie" transportiere daher "eine primitive Lüge", wenn sie "die Realität des Menschen als Mann und Frau negiert". Ihr Ziel sei die "Dekonstruktion der sozialen Ordnung".

Zu den großen Themen Sarahs zählt auch der Lebensschutz. Ob Schwangerschaftsabbrüche Verhütungsmittel, Homosexualität oder Euthanasie: In ihrem Kern sei dies nichts anderes als eine "Kriegserklärung gegen das Leben". Dagegen sei Gott zweifellos "bei denen, die das Leben verteidigen". Gerade aufgrund seiner Herkunft und seiner Kenntnis der Situation in Afrika mag man Sarah diese groben Vereinfachungen gerade auch im moralischen Werturteil verzeihen.

Weiblicher Kardinal? Lächerlich!

Afrika, seine persönlichen biografischen Wurzeln, werden auch zum Leitmotiv bei Sarahs Positionierung in Fragen der Familienpastoral, also bei jenen Fragen, über die die kommende Bischofssynode im Oktober im Vatikan beraten wird. "Ich glaube, dass Europa und das Abendland die Bedeutung der Familie wiederfinden müssen, indem sie auf die Traditionen schauen, die Afrika niemals aufgegeben hat. Auf meinem Kontinent stellt die Familie als Wiege der selbstlosen Liebe den Schmelztiegel an Werten dar, die die ganze Kultur (...) mit der Weisheit und den moralischen Grundsätzen versorgt. (...) Es ist die Familie, die die Fundamente legt, auf denen wir das Gebäude unserer Existenz errichten. Die Familie ist die kleine Kirche, in der wir anfangen, Gott zu begegnen, Ihn zu lieben und eine persönliche Beziehung zu Ihm zu knüpfen."

Deftig wird er in diesem Zusammenhang bei der Frage nach Frauen im geistlichen Stand: "Die Idee eines weiblichen Kardinals ist genauso lächerlich wie die eines Priesters, der Nonne werden möchte! Der Maßstab der Kirche bleibt Christus, der sich Männern und Frauen gegenüber richtig verhielt, indem er einem jeden die Rolle gab, die ihm zustand." Und so ist es letztlich das von der modernen Philosophie vielfach belächelte Naturrecht in Form einer konstatierten Analogie zwischen Gott und menschlicher Natur, zwischen kirchlicher Moral und natürlichem Sittengesetz, die bei Sarah jeder Satz atmet.

Sarah zeigt sich somit als Freund der Dualismen, des entweder-oder: Entweder Gott - oder Nichts, wie es schon im Titel heißt. Entweder ist man ein "Freund Gottes" oder ein Freund dieser Welt. Sarah wähnt die Zivilisation in einem Endkampf, in "der letzten Phase der Zivilisation der Zerstreuung". Glaube, Liebe, Vertrauen und Treue stehen dagegen für den Kardinal auf der Haben-Seite des Glaubens: Sie markieren die glückliche Allianz eines gelingenden Lebens mit Gott.

Achtung vor Franziskus

Bei so kraftvollen, weniger auf Dialog als vielmehr auf Position bedachten Worten stellen sich am Ende zwei Fragen: Wie stellt sich Sarahs Verhältnis zu Papst Franziskus dar? - Und woraus schöpft dieser so kraftvoll auftretende Kirchenmann sein Selbstvertrauen? Was ist der Fels, auf dem seine Überzeugungen gründen?

Sarahs Verhältnis zu Papst Franziskus - soviel lässt sich nach der Lektüre seines Buches sagen - scheint von hoher Anerkennung und Achtung, von selbstverständlicher Loyalität gekennzeichnet zu sein, weniger jedoch von der Herzlichkeit, in der Sarah immer wieder etwa auf Papst Benedikt XVI. oder Johannes Paul II. blickt. Auch wenn das letzte Kapitel unter dem Titel "Evangelii Gaudium" ausdrücklich der Interpretation dieses großen Schreibens von Papst Franziskus gewidmet ist, so fällt seine Antwort auf die Frage nach den Unterschieden zwischen Franziskus und Benedikt doch denkbar knapp aus: Beide wiesen "fraglos große Unterschiede im Stil" auf - "auf der einen Seite ein zurückhaltender Mann mit der Feinfühligkeit eines Benediktiners, auf der anderen ein bodenständiger Pastor, ein Jesuit", ihre grundsätzliche Sicht der Kirche könne man jedoch "in dieselbe Richtung deuten."

Der hermeneutische Schlüssel zu Sarahs felskantiger Theologie ist zugleich das Geheimnis seiner Authentizität: es ist seine afrikanische Herkunft. Geboren 1945 in einem abgelegenen Dorf Guineas, wuchs er in einem festen Familien- und Glaubensgefüge auf, wo der Himmel bestirnt und die Erde Schauplatz eines Endkampfes zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel ist: "Es war ein einfaches Leben, ohne Zwischenfälle - demütig und vertrauensvoll". Mission - das erfuhr Sarah schon in frühen Jahren - ist keine Vergewaltigung eingeborener religiöser Formen, sondern die Fackel, die das Licht des Christentums in die Dunkelheit trägt. Den Alltag in seinem Dorf, die ersten religiösen Gehversuche - zunächst an der Seite seines Vaters, dann in wechselnden Priesterseminaren - zeichnet Sarah einfühlsam und schnörkellos, gerade in seiner Sprache und authentisch.

So bleibt seine Biografie der hermeneutische Schlüssel, der Subtext, ohne den sich die Verve und Vehemenz des mit allen Sinnen Gott Suchenden nicht verstehen lässt. Es sind gerade diese biografischen Notizen, die das Buch - bei aller irritierenden Knorrigkeit im Beharren auf der Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes - zur lesenswerten Biografie eines unbestechlich loyalen Kirchenmannes werden lassen, bei dem Theologie und Biografie untrennbar zusammenfallen. Zugleich ist es eine enzyklopädische Zusammenschau der großen Tradition des kirchlichen Lehramtes im 20. Jahrhundert; ein dialogischer Katechismus, der den - in seinem Ausgang offenen - Versuch einer großen Synthese von Gesellschaft, Individuum, Glauben und Moral wagt.

Erschienen gekürzt in der Zeitschrift "Cicero" und in Langfassung im Kathpress-Infodienst

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