Eine österreichische Regionalposse schlägt Wellen...

"Außer der Kirche gibt es nichts weit und breit - kein Wirtshaus und kein Geschäft, nur sanfte Hügel und Felder". Ist es eine Regionalposse oder doch eine kirchliche Staatsaffäre, die mehrere österreichische Medien jüngst gar zu einem Lokalaugenschein im beschaulichen Weinviertler Ort Stützenhofen veranlasste? Zumindest verbirgt sich hinter dem Namen eine Causa, die die heimische Medienlandschaft aufs Höchste erregt...

 

Auslöser des medialen Sturms waren die österreichweiten Pfarrgemeinderatswahlen am 18. März. Diese hatten dem bekennend homosexuellen und in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden 26-jährigen Florian Stangl in Stützenhofen einen hohen Wahlsieg und damit den Einzug in den örtlichen Pfarrgemeinderat beschert. Doch die Freude währte nicht lange. Bereits zwei Tage nach den Wahlen berichteten die "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN) von dem Fall und vermeldeten, der zuständige Pfarrer Gerhard Swierzek habe gesagt, aufgrund der "Lebensweise" des Kandidaten sei dessen Einzug in den Pfarrgemeinderat nicht möglich.

 

Tatsächlich heißt es in Paragraf IV.1 der geltenden Wiener Pfarrgemeinderatsordnung: "Mitglied des Pfarrgemeinderates können nur Katholiken sein, die sich zur Glaubenslehre und Ordnung der Kirche bekennen." Gelebte Homosexualität wird zwar nicht ausdrücklich als Ausschlusskriterium benannt, allein: durch die Tatsache einer eingetragenen Partnerschaft nimmt eine solche Lebensform einen quasi öffentlichen Charakter an, der mit einer Lebensform nach kirchlichem Ideal kollidiert.

 

Eine Klärung musste also her. Die Erzdiözese Wien nahm sich der Causa an und erklärte dazu am 21. März: "Wir können uns nicht darüber hinwegsetzen, dass die aus dem Evangelium abgeleiteten Lebensregeln der Kirche gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht gutheißen und sich das Lehramt der Kirche eindeutig auch gegen eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Amt des Pfarrgemeinderats ein spezifischer kirchlicher Dienst ist. Für diesen gelten auch spezifische Voraussetzungen. Dazu zählt auch das Einverständnis mit der Glaubenslehre und der Ordnung der Kirche."

 

Prompt reagierten katholische Laienverbände und Basis-Organisationen und erklärten sich solidarisch mit dem gewählten Pfarrgemeinderat, der "ein Mann der Kirche" sei und seine Fähigkeiten auch einbringen solle, so etwa die Plattform "Wir sind Kirche". Unterstützung kam auch von der Katholischen Aktion Oberösterreich, die die Anzweifelung der Wahl des 26-Jährigen als "unchristlich, unsolidarisch und unklug" bezeichnete. Man solle sich hüten, so KA-Präsident Bert Brandstetter, homosexuelle Menschen "in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen."

 

Erzdiözese bestätigte Stützenhofener PGR-Wahl

 

Nur sechs Tage nach der Wahl folgte am 24. März eine persönliche Begegnung zwischen Kardinal Schönborn und Stangl. Es sei ein "sehr ehrliches, angenehmes Gespräch zwischen mir, meinem Lebensgeführten und dem Kardinal" gewesen, hatte der Betroffene im Anschluss der "Presse" gesagt. Und auch Kardinal Schönborn ließ mitteilen, es sei ein "gutes Gespräch" gewesen, dem eine Lösung folgen werde, die die Würde aller Beteiligten und die kirchlichen Regelungen respektiere.

 

In der Folge beriet der Wiener Bischofsrat die Causa und fasste schließlich am Freitag, 30. März, "einhellig" den Beschluss, die Wahl in der Pfarre nicht zu beeinspruchen. Zugleich wurde der Auftrag erteilt, "in der Pfarrgemeinderatsordnung die Voraussetzungen für eine Kandidatur im Kontext weitgehender Überlegungen zu Wesen und Aufgabe des Pfarrgemeinderats präziser zu fassen".

 

Zwar hat es laut Kardinal Schönborn bei der Wahl in Stützenhofen Formfehler gegeben, aber diese "stellen das Wahlergebnis an sich nicht infrage". In der Gemeinde gebe es "eine rege Beteiligung am kirchlichen Leben, auch in der jüngeren Generation", was sich an der hohen Wahlbeteiligung gezeigt habe. "Bei dem persönlichen Gespräch, das ich mit Herrn Stangl führen konnte, war ich von seiner gläubigen Haltung, seiner Bescheidenheit und seiner gelebten Dienstbereitschaft sehr beeindruckt. Ich verstehe daher, warum die Stützenhofener so eindeutig für seine Präsenz im Pfarrgemeinderat votiert haben."

 

In der ORF-Pressestunde am Palmsonntag, 1. April, ergänzte Kardinal Schönborn dazu, es habe sich um eine "persönliche Entscheidung" gehandelt. "Florian Stangl ist am richtigen Platz." Allgemein hielt er fest, dass es unter den Pfarrgemeinderäten viele gebe, "deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen". Die Kirche freue sich über ihr Engagement - ohne dabei die Ideale infrage zu stellen. Die Kirche halte die Ehe als eine Grundzelle der Gesellschaft hoch - zugleich aber nehme sie zur Kenntnis, dass es "Brüche" gibt, so Schönborn. Eine Entscheidung und Begründung des Kardinals, die nicht nur in Österreich, sondern weltweit mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen wurde.

 

Rücktritt und angebliche Geliebte

 

Damit hätte die Causa auch schon beendet sein können. Doch Pfarrer Swierzek tat den Medien in den an Nachrichten eher armen Ostertagen einen großen Gefallen: Er kündigte am Ostersonntag, 8. April, an, die Verantwortung für die Pfarre Stützenhofen abgeben zu wollen - die Verantwortung für zwei weitere Pfarren wolle er indes behalten. "Er könne nicht in einer Pfarre tätig sein, deren Mitglieder Recht haben wollen", hieß es in der APA-Meldung. Er habe schließlich ein "priesterliches Gewissen und achte göttliches und kirchliches Recht". Und es mache ihn "traurig", heißt es in einer Meldung der APA vom 8. April, dass es in der Causa bisher noch zu keiner persönlichen Begegnung zwischen ihm und Kardinal Schönborn gekommen sei.

 

Diese Aussage erweckte in der Öffentlichkeit den Eindruck, als sei von Seiten der Erzdiözese mit Pfarrer Swierzek nicht gesprochen - was nicht den Tatsachen entspricht. Es gab mehrere Gespräche über Telefon und auch eine persönliche Unterredung mit dem Generalvikar.

 

Die Erzdiözese Wien kündigte am 10. April an, nach der Rückkehr Kardinal Schönborns von einer Auslandsreise den Pfarrer zu einem Gespräch zu bitten. Ein Verzicht auf die Verantwortung für Pfarre sei prinzipiell möglich und "nichts Außergewöhnliches" - etwa wenn gesundheitliche Gründe vorlägen -, erklärte Sprecher Prüller dazu. Auf jeden Fall sei ein solcher Rücktritt jedoch ein "annahmebedürftiger Akt", der der Zustimmung des Bischofs bedarf, erläuterte der Kirchenrechtler Ludger Müller die rechtliche Lage im Ö1-Mittagsjournal.

 

"Pikant garniert" wird die Geschichte gegenwärtig noch durch die Enthüllungen einer 55-jährigen Niederösterreicherin, die dem "Kurier" gegenüber eröffnete, sie sei über mehrere Monate die Geliebte des Stützenhofener Pfarrers gewesen. Aus einem Ansuchen um "pastorale Seelsorge" sei schließlich in jener Zeit, in der Swierzek als Seelsorger in Pressbaum tätig war (zwischen 2003 und 2006) eine Affäre erwachsen, so Eva-Maria Mahrer. Grund für ihren Schritt an die Öffentlichkeit sei die Ablehnung der Lebensweise des homosexuellen Pfarrgemeinderats als "Leben in Sünde" durch den Pfarrer. Mahrer: "Ich war seine Geliebte. Er hat sein Zölibat gebrochen. Jetzt spielt er den Moralapostel und redet von Sünde. Dabei hat er selbst gesündigt."

 

Offene Fragen

 

Die ganze Causa wird allerdings noch von einigen Unklarheiten begleitet. So soll der örtliche "Bezirksblatt"-Redakteur Ewald Schingerling vom Stützenhofener Pfarrer bedroht worden sein. Die APA berichtete am 29. März, Swierzek soll den "Bezirksblatt"-Redakteur wegen dessen Berichterstattung in seinem Privathaus aufgesucht und Drohungen ausgestoßen haben. Grund für die Verärgerung Swierzeks soll ein Bericht gewesen sein, in dem der Redakteur den Pfarrer als "beurlaubt" bezeichnet hatte, was im Ort so verbreitet worden sei und weil die Sonntagsmesse dort von einem anderen Geistlichen abgehalten wurde.

 

Der Pfarrer habe deswegen lautstark geschimpft, mit einer Klage gedroht und erst nach mehrfachen - erfolglosen - Aufforderungen zu gehen von Schingerling und dessen Partner aus dem Haus gedrängt werden können. "So wie er aufgetreten ist, habe ich mich im ersten Moment schon bedroht gefühlt", zitierte die APA den Redakteur. Deswegen habe er sich in einem offenen Brief an Kardinal Christoph Schönborn gewandt und ihm von dem Vorfall berichtet und eine Klage wegen Hausfriedensbruch gegen den Pfarrer angekündigt.

 

In unmittelbarem Zusammenhang damit steht auch die jüngste Enthüllung eines angeblichen Telefonmitschnitts eines Gesprächs zwischen Pfarrer Swierzek und Kardinal Schönborn. In diesem Gespräch habe Kardinal Schönborn dem Pfarrer nahe gelegt, Stangl von einer Kandidatur abzubringen - eine Tatsache, die Kardinal Schönborn auch nie bestritten hat. Der "Standard" berichtete am 10. April, der stellvertretender Pfarrgemeinderatsobmann in Stützenhofen, Gerhard Wolfram, habe Auszüge aus dem Mitschnitt beim Palmsonntagsgottesdienst verlesen. Die Quelle des "Standard"-Berichts: ein "Bezirksblatt"-Bericht von Ewald Schingerling.

 

Merkwürdig bleibt nur, dass ein Lokalaugenschein am Palmsonntag von "Presse"-Journalistin Christine Imlinger - erschienen am 1. April - keinerlei Hinweise auf die nun behauptete Verlesung des Mitschnitts enthielt. Im "Presse"-Bericht hieß es vielmehr: "Erst zum Schluss wendet sich der Mesner an die Gemeinde, verliest eine, so heißt es, Richtigstellung: Der Pfarrer habe sich bei der Diözese informiert, ob die Kandidatur eines Mannes, der in homosexueller Partnerschaft lebt, zulässig sei. Als man erfahren habe, dass dies problematisch sei, war es schon zu spät, um die Liste noch zu ändern. Dass Kardinal Christoph Schönborn seine Meinung geändert habe, hätte man erst vergangenen Freitag erfahren."

 

In einer "Standard"-Reportage vom 12. April berichtet Markus Rohrhofer allerdings von einem Gespräch mit dem Stellvertretenden PGR-Obmann Wolfram, in dem dieser erklärte, der Pfarrer sei mit dem Tonbandaufzeichnung des Telefongesprächs mit Schönborn zu ihm gekommen. "Er hat mir die Aufzeichnung vorgespielt und gesagt, dass wir ihm helfen müssen", wird Wolfram zitiert. Das Tonband sei im Besitz des Pfarrers, "darauf passt er auf", das sei "sein Trumpf". Der "Kurier" zitierte Wolfram ebenfalls am 12. April aber mit der Aussage, er habe den Mitschnitt nicht gehört.

 

Der "Standard" zitierte auch Franz Schuster, den Wahlleiter bei der Pfarrgemeinderatswahl, mit den Worten: "Der Kardinal hat die Wahl bestätigt. Da musst als Pfarrer schon fest wo ang'rennt sein, wennst so etwas nicht akzeptierst. Pfarrer Swierzek ist nicht an der Pfarre Stützenhofen gescheitert, sondern vielmehr an sich selbst und seiner starren Geisteshaltung." Niemand in der Pfarrgemeinde habe verlangt, dass er den Hut nimmt. "Ein paar einlenkende, plausible Erklärungen seinerseits hätten sicherlich dazu beigetragen, dass sich das Leben in der Pfarre wieder einrenkt. Aber er verharrt in seiner starren Geisteshaltung und scheitert daran."

 

Laut "Bezirksblatt" wertete Schuster die Verlesung des Mitschnitts als "rechtlich sehr bedenklich", und er habe sich diesbezüglich in einem Brief an Kardinal Schönborn gewandt. Der "Kleinen Zeitung" gegenüber brachte Pfarrgemeinderat Daniel Hugl am 10. April zum Ausdruck, der Pfarrer habe sich mit dem Mitschnitt und dessen Verlesung "endgültig ins Out gespielt". Hugl spricht von einer "polnischen Demokratur", die in Stützenhofen herrsche. Deren Motto sei "Hände falten, Goschen halten".

 

Kein Einspruch trotz Ungereimtheiten

 

Ungereimtheiten gab es auch im Ablauf der PGR-Wahlen in Stützenhofen: So hatte in Stützenhofen am 11. März eine Urwahl zur Kandidatenfindung stattgefunden - und damit nur eine Woche vor den eigentlichen PGR-Wahlen und nicht - wie es vorgeschrieben wäre - sechs Wochen zuvor. Durch freie Nennung aus der Gemeinde entstand so eine Liste von 43 möglichen Kandidaten; nur sechs davon stimmten schließlich einer Kandidatur zu - unter ihnen Florian Stangl. Pfarrer Swierzek wurde die Liste zur Kenntnis gebracht, ein unmittelbarer Einspruch von seiner Seite erfolgte nicht.

 

Der Pfarrer habe dann aber Stangl kurz vor der Wahl "im Urlaub angerufen und gebeten, nicht bei der Wahl anzutreten", so dieser gegenüber den "NÖN". Konsequenzen hatte dies jedoch keine. Sein Name fand sich auf den Wahllisten, die schon Anfang der Woche gedruckt worden waren, und er wurde mit rund 80 Prozent Stimmen in den Pfarrgemeinderat gewählt.

 

Zuletzt hatte sich Kardinal Schönborn am 6. April in einem ORF-Niederösterreich-Interview mit einer Richtigstellung zu Wort gemeldet. So betonte er darin, er habe dem Pfarrer geraten, "er möge dem Betreffenden doch raten, die Kandidatur zurückzuziehen". Da sei es jedoch bereits zu spät gewesen, "denn die Wahl war schon ausgeschrieben, die Wahlzettel gedruckt - es hat also die Wahl stattgefunden". Kardinal Schönborn weiter: "Ich stand dann vor der Wahl bzw. auch mein Bischofsrat, ob wir gegen die Wahl Einspruch erheben oder ob wir die Wahl gelten lassen. Und da haben wir uns - ich persönlich, aber auch mein Bischofsrat - dafür entschieden, die Wahl nicht zu beeinspruchen. Und ich denke - auch bei einer solchen Partnerschaft - das, was die Kirche lehrt, ist klar: Wir dürfen sie nicht diskriminieren, wir müssen sie als Menschen schätzen - aber die kirchliche Lehre sagt: 'Ihr seid berufen auch zur Keuschheit.'"

 

 

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